Neueinstufung der Klimabilanz von elektrischen und verbrennungsmotorischen Pkw durch den ICCT

Der „Green Deal“ der Europäischen Union sieht vor, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität in Europa erreicht zu haben. Um dieses Ziel sicherstellen zu können, müssen die Treibhausgasemissionen (THG) des Verkehrssektors um mindestens 90% gegenüber 1990 sinken. Vor diesem Hintergrund hat der ICCT (International Council On Clean Transportation) in einer neuen Studie ermittelt, mit welcher Kombination von Antriebstechnologien und Kraftstoffen die Treibhausgasemissionen von Pkw auf ein Minimum gesenkt werden können – und zwar nicht nur die direkten Emissionen aus dem Auspuff, sondern auch indirekte Emissionen aus der Kraftstoff- und Stromproduktion sowie der Fahrzeug- und Batterieherstellung.

Im Rahmen der ICCT-Studie wurde eine Lebenszyklusanalyse (LCA) verschiedener Pkw-Antriebssysteme und Kraftstoffarten hinsichtlich ihrer THG-Emissionen durchgeführt. Sie umfasst Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (ICEVs), Hybrid-Elektrofahrzeuge (HEVs), Plug-In-Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEVs), Batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEVs) – sowie eine Vielzahl von Kraftstoffarten und Energiequellen, einschließlich fossilem Benzin, Diesel und Erdgas, jeweils mit dem aktuellen und zukünftigen Anteil an Biokraftstoffen oder Biomethanbeimischungen, E-Fuels, Wasserstoff und Elektrizität. Die hier dargestellte Bewertung für Pkw in Europa ist Teil dieser globalen LCA-Studie, welche auch Indien, China und die USA umfasst. Für jede der vier Regionen werden die gleichen Trends beobachtet.

Abb. 1: THG-Emissionen über den Fahrzeuglebenszyklus von ICEVs mit Benzin-/ Diesel- und CNG-Antrieb, PHEVs, BEVs und FCEVs der unteren Mittelklasse, für 2021 in Europa (Quelle: ICCT)

  • Konventionelle Benzin- und Dieselfahrzeuge weisen sehr ähnliche Emissionen auf. Bei Hybridfahrzeugen sind es etwa 20% weniger Emissionen. Im Fall von Fahrzeugen mit komprimiertem Erdgas (CNG) können die Emissionen sogar über denen von Benzin- und Dieselfahrzeugen
  • Die in Europa übliche Beimischung von Biokraftstoff verringert die Emissionen von Benzin-, Diesel- und CNG-Fahrzeugen kaum – selbst dann nicht, wenn Biokraftstoffe aus abfall- und reststoffbasierten Rohstoffen bis 2030 das aktuell viel genutzte Palmöl verdrängen würden. Synthetische Kraftstoffe (e-Fuels) sind mit sehr hohen Produktionskosten verbunden und können daher nicht wesentlich zur Dekarbonisierung des Kraftstoffmixes im Straßenverkehr beitragen.
  • Im realen Alltagsbetrieb ist der Kraftstoffverbrauch von PHEVs vielfach höher
    als in den offiziellen Verbrauchswerten. Die Lebenszyklus-Emissionen heutiger PHEVs in der Kompaktklasse liegen daher nur etwa 25-27% niedriger als bei neuen Benzinfahrzeugen.
  • Die Lebenszyklus-Emissionen der in Europa neu zugelassenen BEVs liegen in der Kompaktklasse bereits heute 66%-69% niedriger als für vergleichbare neue Benzin-Pkw. Aufgrund des sich stetig verbessernden Strommixes erhöht sich dieser Emissionsvorteil von BEVs für Neufahrzeuge im Jahr 2030 auf etwa 74%- 77%. Sofern sie vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden, erreichen BEVs bis zu 81% niedrigere Lebenszyklus-Emissionen als Benzinfahrzeuge.
  • Die THG-Emissionen aus der Herstellung der in BEVs und PHEVs verwendeten Batterien werden mit regional angepassten THG-Emissionsfaktoren in kg CO2-Äq./kWh und den jeweiligen Batteriekapazitäten in kWh ermittelt. Sowohl für Fahrzeuge des Jahres 2021 als auch prognostizierend für 2030 wird in dieser Studie der Unterschied in Bezug auf die Batterietechnologien der vergangenen Jahre ermittelt. Die Untersuchung basiert auf 2021 verfügbaren Daten zur Batterieproduktion, die aktuelle Batteriechemie nach dem Stand der Technik und die regionalen Anteile der lokalen Batterieproduktion und -importe. Zusammen führen diese Faktoren zu einer deutlich geringeren Kohlenstoffintensität für die Batterieproduktion als in früheren Studien. Geschätzt entsprechen die THG-Emissionen aus der Batterieproduktion für BEVs denen aus der Produktion des Wasserstoffsystems in FCEVs und machen nur etwa ein Drittel der gesamten Produktionsemissionen von BEVs aus.
  • Bei FCEVs variieren die Lebenszyklus-Emissionen stark mit dem genutzten Wasserstoff. Bei dem heute vorherrschenden Wasserstoff, welcher durch Reformierung von Methan aus Erdgas hergestellt wird („grauer Wasserstoff“) sind die THG-Emissionen etwa 26% geringer als bei neuen Benzinern. Bei Wasserstoff aus erneuerbaren Energien („grüner Wasserstoff“), liegen die Emissionen hingegen 76% unter denen von Benzinern. FCEVs, die mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien betrieben werden, weisen etwas höhere Lebenszyklus- Emissionen auf als BEVs, welche denselben erneuerbaren Strom nutzen. Der Grund dafür ist die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück in Strom, die etwa dreimal so energieintensiv ist wie die direkte Nutzung des Stroms in BEVs.
  • Die Analyse für erneuerbare Energien berücksichtigt auch die Emissionen, die durch den Bau zusätzlicher Windturbinen und Solarzellen entstehen.

 

Basierend auf der Analyse empfiehlt das ICCT klare Maßnahmen zur Erreichung der europäischen Dekarbonisierungsziele für 2050:

Die Zulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor in der EU sollte im Zeitrahmen von 2030-2035 auslaufen. Angesichts einer durchschnittlichen Fahrzeuglebensdauer von 18 Jahren sollten ab etwa 2030-2035 nur noch solche Technologien produziert und zugelassen werden, die eine tiefgreifende Dekarbonisierung der europäischen Autoflotte bis 2050 erreichen können. BEVs, die mit Strom aus erneuerbaren Energien angetrieben werden, und FCEVs, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, sind die einzigen beiden Technologiepfade, die hierfür in Frage kommen. Eine Hybridisierung von Verbrennungsmotoren kann genutzt werden, um den Kraftstoffverbrauch der im Verlauf des nächsten Jahrzehnts neu zugelassenen Fahrzeuge zu reduzieren, aber weder HEVs noch PHEVs erlauben die langfristig erforderliche Senkung der THG-Emissionen von Pkw.